Heute Nacht hatte ich einen erotischen Traum und bin morgens voller Verlangen aufgewacht. Der Traum war vollkommen jugendfrei, ich kann also leider keine scharfen Szenen daraus berichten. (Und alle so: awwwww…) Also, da war einfach nur ein interessanter Mann, mit dem sich ein doppeldeutiger Wortwechsel ergab. Ich weiß noch, dass ich ihm ein Kompliment für sein cooles T-Shirt machte (irgendwas mit Bill Murray drauf). Mein Traum-Ich berührte ihn dabei wie zufällig an der Schulter, es lag Elektrizität in der Luft. Schließlich neigte ich mich zu ihm, die Lippen nah an seinem Ohr, sodass ich seine Hitze im Gesicht spüren konnte, und flüsterte: Ich würde dich jetzt gerne mit Haut und Haar vernaschen. Er sah mich überrascht an, ob ich es ernst meine, und sein Gesichtsausdruck sagte mir: ist gebongt! Oh Mann, Traum-Lotta, ein besserer Spruch fällt dir nicht ein? Ich sag ja: total jugendfrei. Aber ich spüre noch genau, wie es sich im Traum anfühlte – mein Herzschlag beschleunigt sich, die Atmung wird flacher, wenn der andere den etwas zu lang verweilenden Blick erwidert. Der Magen macht einen Satz in die Schwerelosigkeit und warme Schauer breiten sich durch den Unterleib aus. Mit diesem Gefühl eines Traum-Flirts wache ich auf und strecke mich meinem Freund auffordernd entgegen. Seine Morgenlatte bringt bereitwillig zu Ende, was der Traum mir als Appetithäppchen serviert hat.
Es liegt was in der Luft. Nicht nur die Tage werden jetzt spürbar länger und die Motorrad Saison hat endlich wieder begonnen. Auch in unserem Körper scheint etwas vor sich zu gehen, wenn es vor der Tür nach Frühling duftet. Das Glückshormon Serotonin steigt durch das längere Tageslicht an. Sein Gegenspieler, das Schlafhormon Melatonin, lockert seinen Wintergriff – wir fühlen uns endlich wieder ausgeruht und unternehmungslustig. Besonders die Männer sollten diese Veränderung zu spüren bekommen. Denn im Frühling und Sommer produziert der männliche Körper auch mehr Testosteron. Das Sexualhormon ist nicht nur für die Potenz wichtig. Es hat auch starken Einfluss auf die Psyche. Ist der Testosteron-Spiegel erhöht, fühlt Mann sich einfach wohler.
Daran wird es liegen, dass die Flirt- und Dating-Plattformen im Frühling mehr Anmeldungen verzeichnen, als im Rest des Jahres. Das Leben sprießt von Neuem, alles steht auf Anfang - da möchte man zu gerne auch selbst was vom Frühling abbekommen. Einen Vorteil dafür bringt der Frühling selbst mit. Wenn es warm wird, halten wir uns öfter draußen auf oder gehen abends noch aus. Ich lebe in Süddeutschland, da ist das typischerweise der Biergarten. Dort ist es Brauch, sich zu Fremden an den Tisch zu setzen und ins Gespräch zu kommen. Naturgemäß trifft man dadurch natürlich mehr potentielle Flirtpartner als in der Winterzeit, wenn es doch zuhause am gemütlichsten ist.
Und das ist eine entscheidende Voraussetzung für einen guten Flirt. Der entsteht am besten da, wo man ihn nicht sucht. Wo er sich ganz zufällig anbietet. Denn Flirten sollte immer absichtslos sein. Dem Flirt geht es nicht darum, den anderen ins Bett zu kriegen. Jedenfalls nicht in erster Instanz. Das ist der feine aber entscheidende Unterschied zum billigen Baggern. Flirten geschieht immer um des Flirtens willen! Es ist das Spiel um die Aufmerksamkeit, mit Blicken oder Gesten, mit neckischen Worten. Das Spielerische macht den Flirt besonders.
Und Gelegenheiten gibt es zuhauf, sobald man unter Leute geht, das muss nicht mal im Biergarten sein. Das kann der hilfsbereite Kassierer im Getränkemarkt sein oder der Tankstellenmann, der früh morgens schon immer so gut gelaunt ist. Die Kollegin, die man jeden Morgen im selben Bus trifft. Oder wie bei mir letztens der süße Typ, der vor mir beim Bäcker dran war. Die Verkäuferin verzettelte sich dreimal beim Kleingeldzählen, er bewahrte total gechillt die Ruhe, es entspann sich ein Gespräch. Und als er beim Gehen nicht nur der Verkäuferin, sondern auch mir einen schönen Tag wünschte, garniert mit einem breiten Lächeln und einem etwas zu langen Blick – da hüpfte kurz mein Herz.
Genau darum geht es dem Flirt: einem anderen Menschen ohne bestimmte Absicht ein gutes Gefühl zu geben. Also ich kann das am besten, wenn ich selbst entspannt bin. Denn dann schau ich mit offeneren Augen in die Welt und nehme meine Mitmenschen anders wahr. Dann erwarte ich nicht an jeder Ecke das Schlimmste, sondern gehe erstmal vom Guten im Menschen aus. Kurz gesagt: wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus.
Ich höre sie schon, den Einwand mancher Männer: Heute wisse man ja gar nicht mehr, was noch erlaubt ist. Ein harmloser Flirt würde ja gleich missverstanden. Lieber mal die Klappe halten und überhaupt, nichts ist mehr so wie es mal war. Dem möchte ich ein entschiedenes „Blödsinn!“ entgegensetzen. Plumpe Anmachen und übergriffige Sexeleien waren nämlich auch früher schon doof. Heute lassen wir sie uns nur seltener gefallen. Und das wird höchste Zeit. Denn unerwünschtes Baggern ist nicht nur überflüssig, erschwert das Zusammenleben und missachtet jeden Konsens. Seien wir mal ehrlich, es führt auch nur selten zum Ziel: dem Herz eines anderen Menschen.
Stellt euch vor, wir wären diesen Sommer einfach alle mal lieb zueinander. Das könnte bewirken, dass auch die Menschen um uns herum weniger gestresst sind und wiederum empathischer werden. Lasst uns eine Kettenreaktion starten. Indem wir uns gegenseitig die Türen aufhalten, wieder in die Augen schauen und ein Lächeln hinterherschicken. Oder - verschärfter Flirt - wir denken uns mal nicht nur unseren Teil, wenn wir einen interessanten Menschen sehen. Sondern sprechen den einfach mal an, und machen ihm (oder ihr) ein Kompliment. Vielleicht jetzt nicht gerade für die geilen Titten, wisst ihr ja eh. Ihr findet bestimmt was, das charmanter rüberkommt: die Ausstrahlung, die schöne Stimme oder einfach die Gesamterscheinung.
Ich verspreche Euch: ihr werdet nicht nur in ein aufgewecktes, überraschtes Gesicht blicken. Sondern auch selbst anschließend leichtfüßiger durch den Tag gehen. Und dann vielleicht selbst angeflirtet werden, wegen eurer tollen Ausstrahlung. Und so schließt sich der Kreis. Glück ist ja bekanntlich ansteckend.
Lotta Frei (geb. 1979) ist Bloggerin, Buchautorin der Swingerclub-Bibel und lebt in einer offenen Beziehung. Für Poppen.de berichtet sie in ihrer Kolumne "Lottaleben" über ihre sexuellen Erfahrungen.
Mach mit!
Antworte jetzt und registriere dich später. If you have an account, sign in now to post with your account.
.