Das Foyer der Alten Münze, dem Veranstaltungsort der Pornceptual Party mitten in Berlin, gleicht an diesem Abend einer riesigen Umkleidekabine. Die Besucher entledigen sich ihrer Kleidung und stopfen sie in dunkelblaue Plastiksäcke, die sie dann an der Garderobe abgeben. Einen wirklichen Dresscode gibt es nicht. Zwar lautet das Motto Vintage, aber so genau nimmt das hier keiner. Klar, Fetisch-Kostüme sind immer gerne gesehen, aber grundsätzlich gilt eigentlich nur: Je weniger Du an hast, desto besser! Kleiner Funfact am Rande: Je weniger Kleidung Du trägst, desto günstiger wird der Eintritt (ganz nackt zahlst Du zum Beispiel nur 8 Euro). Im Kellergewölbe des Clubs ist es ohnehin so heiß, dass jeder noch so kleine Stofffetzen zu viel wäre. Und irgendwann im Laufe der Nacht sind dann sowieso alle nackt. Alle. Kein Witz.
Auf den Floors läuft minimalistischer Techno (was auch sonst, wir sind schließlich in Berlin). Nackte, schwitzende Körper bewegen sich auf der Pornceptual rhythmisch hin und her, berühren sich, fassen sich an, verschmelzen miteinander. Manchmal ist es so voll, dass sich Körperkontakt gar nicht verhindern lässt. Wirklich schlimm ist das nicht, denn unangenehm aufdringlich ist hier niemand. Neben mir machen zwei junge Frauen wild miteinander rum. Um sie herum wird weitergetanzt. Keiner glotzt. Weiter hinten auf der Tanzfläche, zwischen all den nackten, schwitzenden Körpern, erhält ein Typ gerade einen Blowjob. Aber auch das stört keinen. Alle tanzen.
Anna, 26 Jahre alt, Lehramtsstudentin aus Potsdam, betritt in dieser Nacht zum ersten Mal einen Darkroom der Pornceptual. „Geile Scheiße“, sagt sie, „warum gibt es so etwas nicht auch in anderen Clubs?“ Zu Anfang ist sie noch ein wenig zurückhaltend und versucht das Geschehen lieber aus der Distanz zu beobachten: Ein Gewühl aus nackten Körpern, die in der Dunkelheit nur schemenhaft zu erkennen sind. Männer mit Frauen. Männer mit Männern. Frauen mit Frauen. Gay, Straight, Bi – alles nur unwichtige Einordnungen in einer Nacht, in der sowieso alles möglich scheint, irgendwie. In einer etwas helleren Ecke des Darkrooms sitzt ein Hetero-Pärchen. Beide nicht viel älter als dreißig, splitterfasernackt und offensichtlich ziemlich horny. Während er sie fingert, lutscht sie einem fremden Typen den Schwanz. Ihren Freund scheint das nicht zu stören. Mit der einen Hand fingert er sie weiter, mit der anderen macht er es sich selbst. Und als sie irgendwann fertig sind, stehen sie einfach auf und gehen zurück auf die Tanzfläche – Hand in Hand.
Eine feste Zielgruppe hat die Pornceptual nicht – jeder Besucher, ganz unabhängig von Alter, Geschlecht oder Sexualität, ist willkommen. Hauptsache, Du bist offen, neugierig und hast Lust auf viel nackte Haut und Sex. Die Pornceptual bringt ganz unterschiedliche Menschen zusammen: extravagante Künstler treffen auf Karrieristen; Schönlinge und modebewusste Hipster auf Berliner Durchschnittstypen. Die meisten Besucher sind nicht älter als 35, viele erst Anfang 20. Klassisches Swingerclub-Publikum sieht anders aus. Dazu die ausgeflippten Verkleidungen, Maskierungen und Fetisch-Kostüme. Zu entdecken gibt es viel: Bunnymasken, Lederharnesse, Jockstraps, Hundehalsbänder, Kettenhemden, Penis-Käfige. Einfach mal das tragen, was man möchte und das machen, worauf man zwar Lust hat, sich aber sonst nicht traut. Einfach mal frei fühlen. Die Pornceptual macht es möglich.
Du bist vom vielen Tanzen und Rummachen ganz erschöpft? Du brauchst eine Pause? No problem! Auf der Pornceptual gibt es genug Räume, um sich etwas zurückzuziehen. Der Geheimtipp: das Porn Cinema. Auf einer Großbildleinwand werden die ganze Nacht über alte Vintage-Pornos aus den 70ern gezeigt. Hier ist es schön dunkel und angenehm ruhig. Sessel und Sitzgelegenheiten sind ausreichend vorhanden. Einige Gäste sitzen einfach nur da, haben die Augen geschlossen, einen Drink in der Hand und relaxen, andere unterhalten sich leise, oder tauschen weitere Zärtlichkeiten aus und masturbieren. Ich entdecke Anna wieder, die es sich auf einem schwarzen Ledersessel gemütlich gemacht hat und an ihrem Mate-Drink nippt. „Hey, Anna“, sage ich und setze mich auf den freien Platz neben sie. „Hey, Du“, sagt sie und lächelt.
Auf einem etwas kleineren Technofloor wird ein Typ von einer Frau gefickt. Ja, wirklich! Während er auf allen vieren kniet, dringt sie mit einem Umschnalldildo in ihn ein. Und so wie sie ihn fickt, sieht das ziemlich professionell aus. Sexualitäten verschwimmen. Viele Räume und Installationen sind aus der Gay-Szene übernommen, die schon immer sehr viel sexueller und freizügiger war, als die Hetero-Welt. Aber warum soll das, was auf schwulen Parties längst Standard ist (z.B. Darkrooms, Cruising-Areas), nicht auch für Heteros spannend sein? Den Veranstaltern der Pornceptual ist es ohnehin wichtig, einen Raum zu schaffen, der frei ist von Labels und Einordnungen. „Es spielt auf unserer Party keine Rolle, ob du gay oder hetero bist“, sagt Chris Philipps, der die sex-positive Pornceptual-Partyreihe zusammen mit Raquel Federato und Kasper Burghout veranstaltet, „es geht bloß darum, sich frei zu fühlen, Sex zu genießen und sich auf Neues einzulassen. Und warum sollen denn Frauen nicht auch in einem Darkroom Spaß haben?“
Mit mindestens 30 Prozent ist der Frauenanteil auf der Pornceptual deutlich höher als in „normalen“ Swingerclubs. Ganz sicher dürfte das auch daran liegen, dass die Party bei schwulen Männern sehr beliebt ist – und Frauen nicht so stark Gefahr laufen, von jedem Typen angemacht zu werden (keine Angst, es ist keine Gay-Party, heiße Hetero-Typen gibt es hier genug). Von Seiten der Veranstalter gibt es außerdem eine ganz klar formulierte „Ask But Don’t Touch Policy“: Nur weil du nackt und sexy bist, ist es dir noch lange nicht gestattet, einfach so jemanden anzufassen. Frag vorher, ob das für den Anderen okay ist! Die Pornceptual versteht sich diesbezüglich als eine Art safe space, als ein geschützter Raum, der Platz bietet, für alle möglichen, sexuellen Spielarten und Phantasien.
“Wir möchten eine sichere Umgebung schaffen, in der einfach alles möglich ist; sich auszuziehen, zu spannen und zu ficken.”
Ausgrenzung und Diskriminierung? Fehlanzeige. Bodyshaming? Niemals! Auf der Pornceptual gibt es überhaupt keinen Grund, sich für irgendetwas zu schämen. Du bist gut, so wie Du bist. Sex-positive Partys leben schließlich von ihrer Vielfalt, Offenheit und Freiheit. Egal, was Du machen willst, alles ist in Ordnung, solange es einvernehmlich passiert. Ganz egal, ob eine schnelle Nummer im Darkroom, ein nettes Gespräch im Pornokino oder einfach nur ausgelassenes Tanzen auf dem Technofloor – es ist ganz allein Deine Entscheidung.
Du willst mehr über die Pornceptual erfahren? Schau einfach mal auf ihrer Facebookseite vorbei, folge ihnen auf Instagram oder informiere Dich in unserem Eventsystem! Die nächste Pornceptual-Party findet übrigens am 10. Februar 2018 statt.
In der Kolumne "JUNG & WILD" berichten unsere Autoren von alltäglichen erotischen Erlebnissen. Diesmal erzählt Simon von seinem Besuch auf der Pornceptual, einer der größten sex-positiven Partyreihen in Deutschland.
Alle Bilder © 2017 Alef Ghson | Chris Phillips
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