Polygam zu leben oder zu lieben war Mitte des letzten Jahrhunderts noch ein guter Grund für gesellschaftliche Ächtung, denn nur monogame Beziehungen entsprachen der Norm. Zumindest was unsere westliche Welt betrifft. Aber warum war das so, warum ist es jetzt anders und vor allem: Wie l(i)ebst DU am liebsten?
Anmerkung zur Genderfrage: Wenn wir über Partner oder Freund sprechen, dann meinen wir immer alle! Mitglied oder ohne Glied.
Die Liebe fürs Leben, die bei Oma und Opa noch normal war, hat sich im Verlauf der letzten Dekaden fast vollständig in die illusorische Welt der romantischen Schmonzetten verabschiedet.
Die Ehe, ehemals ein Garant für Treue, bis dass der Tod uns scheidet, ist gründlich demaskiert worden, wenn wir uns die Scheidungsraten ansehen. Aber bevor wir jetzt alle Hoffnung auf glückliche Beziehungen verlieren: Liebe für immer ist möglich!
Aber vielleicht nicht nur mit dem einen Partner. Sondern mit mehreren hintereinander oder auch mehreren gleichzeitig. Es stellt sich also die Gretchenfrage: Wie lieben wir glücklich?
Der Mensch ist genetisch und biologisch betrachtet weder monogam noch polygam. Er ist, was Beziehungsmodelle angeht, ein Opportunist. Wenn eine monogame Beziehung im Lebensumfeld und in der Lebenssituation Sinn macht, dann geht ein monogames Leben für viele von uns voll in Ordnung. Ein sehr großer Faktor dabei ist für viele Menschen die Akzeptanz von außen: Familie, Freunde, Gesellschaft, Konventionen und für viele auch Religion regeln unser Verhalten häufig mehr als uns lieb ist.
Monogamie ist - genau wie ihre Verwandten Polygamie oder Polyamorie - eine Sache der Einstellung, der Lebenserfahrung und der eigenen Werte.
Ein großer innerer Einfluss auf die Wahl unseres Beziehungsmodells liegt in unserer Psychologie. Stabile monogame Beziehungen geben uns Sicherheit. Hier fühlen wir uns wohl jenseits von möglicher Konkurrenz durch attraktivere, interessantere, liebenswertere oder prominentere Menschen.
Eine monogame Beziehung beinhaltet das Versprechen von Exklusivität. Aber wird dieses Versprechen auch gehalten? Diese bange Frage stellen sich die meisten von uns irgendwann in unseren Beziehungen, denn Untreue wackelt an den Grundfesten unserer Beziehung. Dann doch lieber eine offene polygame Beziehung?
Streng genommen bedeutet Polygamie "Vielehe", wobei der Akt der Heirat nicht mehr zwingend dazu gehört, wenn es ums Hier und Jetzt geht. Als polygam bezeichnen wir heutzutage Menschen, die gleichzeitig mehrere sexuelle oder sexuell-emotionale Verhältnisse oder Nebenbeziehungen haben.
Allerdings bezeichnet Polygamie in vielen Staaten und deren Gesetzbüchern auch noch eine strafbare Mehrfachheirat. Wir reden hier aber nicht von Vielehen, sondern von Vielbeziehungen.
Die Krux ist folgende: Manche Menschen leben in einer monogamen Beziehung polygam, oft ohne das Wissen und schon garnicht mit der Zustimmung ihres festen Partners.
Und hier kommt der wichtigste Faktor innerhalb von Beziehungen ins Spiel - zumindest wenn wir uns selber und unsere Partner ernst nehmen: die Ehrlichkeit.
Welchen Sinn macht eine rein formale monogame Partnerschaft, also eine, die nur "auf dem Papier" gilt? Die Frage, die sich anschließt, ist: Machen Betrug und Fremdgehen einen so großen Reiz aus, dass Gewissensfragen hintenan stehen? Warum gehen so viele Menschen fremd?
Wenn wir davon ausgehen, dass es die meisten von uns nicht primär reizt, andere Menschen hinters Licht zu führen und unsere Lebensgefährten zu verarschen, indem wir ihnen Treue versprechen, die wir aber faktisch nicht liefern - warum leben wir nicht einfach offen polygam? Oder sogar polyamor?
Rein begrifflich bedeutet polyamor beziehungsweise Polyamorie, dass sich eine Person mit mehreren anderen Menschen in emotionalen Liebesbeziehungen befindet, die sich wiederum in anderen polygamen oder polyamoren Konstellationen befinden können.
In den allermeisten Fällen macht ein polyamores Beziehungsgefüge aus, dass alle Beteiligten offen zueinander sind, die unterschiedlichen Beziehungen untereinander keiner Heimlichtuerei unterliegen und Treue und damit auch Untreue keinen besonderen Stellenwert haben. Die polyamoren Beziehungen definieren sich ausserdem über eine starke emotionale Verbundenheit, bei manchen Verbindungen innerhalb der polyamoren Gruppe besteht auch "nur" eine emotionale und platonische Ebene.
Wenn wir zum Vergleich den Begriff der Polygamie nehmen: Polygamie bedeutet, dass sich eine Person mit mehreren anderen Menschen in voneinander unabhängigen sexuellen Beziehungen befindet. Natürlich sind auch da zum Teil Emotionen im Spiel, der sexuelle Aspekt steht aber im Vordergrund.
Ach, wo wollen wir da anfangen? Es kommen vermutlich in jeder Generation neue Beziehungsmodelle dazu, also können wir nur eine momentane Bestandsaufnahme machen.
Und außerdem leben und lieben wir in unserem Leben nicht nur im Rahmen eines einzigen Beziehungsmodells: Phasen monogamer Beziehungen folgen polygamen Episoden, manch ein Mensch findet sich in polyamoren Beziehungen wieder - in jedem monogamen Menschen steckt ein polygamer oder polyamorer Mensch und vice versa.
Ein weiteres Beziehungsmodell, das viele von uns kennen und das Emotion, Sex und Freiheit vereint ist die Freundschaft Plus.
Die Bedeutung von Freundschaft Plus (oder Friends with Benefits) erklärt sich von selbst.
Die Basis ist eine emotionale, nämlich die Freundschaft zueinander. Aber on top ergibt sich dann und wann eine Bettgeschichte miteinander, ohne dass sich die Freundschaft in eine Liebesbeziehung verwandelt - was aber natürlich trotzdem passieren kann.
Dann gibt es da noch offene Beziehungen und offene Ehen. Im Prinzip nichts anderes als Polygamie, bei der beide Partner neben der Hauptbeziehung sexuelle Abenteuer ausleben bei gegenseitigem Einverständnis. Oft besteht bei diesem Beziehungsmodell die Regel, dem Partner gegenüber nicht ins Detail zu gehen, um den anderen nicht mit Kopfkino zu belasten und Eifersucht zu schüren.
Eine weitere Form der Polygamie leben die Swinger aus. Das sind in der Regel Paare, die ihre sexuellen Wünsche mit anderen Paaren oder auch Einzelpersonen ausleben, häufig auf Swingerparties.
Eifersucht kennt jeder von uns und wir sind uns wohl einig, dass dies kein schönes und wünschenswertes Gefühl ist. Manche behaupten allerdings, dass Eifersucht auch ein Aspekt der Liebe ist, denn nur wenn wir lieben, können wir auch eifersüchtig werden, wenn die Eifersucht die Angst des Verlustes widerspiegelt.
Auch in offen polygamen und polyamoren Beziehungskonstellationen ist Eifersucht ein Thema. Selbst wenn alle Beziehungsgeflechte offen liegen und nichts verheimlicht wird, können Eifersucht und Verlustangst entstehen. Eifersucht wird aber meist erst dann zu einem ernsthaften Problem, wenn wir sie in uns hineinfressen, denn sie hat die Macht, uns innerlich zu vergiften.
Wenn wir offen mit diesem Gefühl umgehen und mit unseren Partnern ehrlich darüber reden, können Lösungen gefunden werden, denn ein wichtiger Grundsatz in polyamoren Beziehungen ist neben Ehrlichkeit und Offenheit auch die gegenseitige Rücksichtnahme.
So könnte das Konstrukt der Beziehungen untereinander neu definiert werden. Und geklärt werden, wo die Ursache für die Eifersucht liegt, ob es in einer persönlichen Unsicherheit begründet ist oder ob das Beziehungsgefüge nicht mehr stimmt.
Dies klingt vernünftig, gesund und modern, oder?
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