Bis auf ein Halsband und turmhohe Plateau Highheels ist die Frau vor mir splitterfasernackt. Ihre Hände hält sie hinter dem Rücken verschränkt, den Blick zwei Meter vor sich auf den Boden gerichtet. Der Auktionator kommt mit einer Leine in der Hand auf sie zu. Er hakt die Leine mit einem Karabiner an ihrem Halsband ein, dann führt er sie daran in die erhellte Mitte des Raumes... Im Schatten um diese Bühne warten an die hundert Männer auf ihre Chance. Die meisten tragen weiße Hemden, schwarze Hosen und einen offenen, neugierigen Blick im Gesicht. Sie drängen sich im Halbkreis um die Frau, die nun im Scheinwerferlicht vor ihnen präsentiert wird. Ich bin auf einem Sklavenmarkt und habe keine Ahnung, was mich dazu geritten hat, selbst bei der Versteigerung mitzumachen. Die Vorstellung des Ausgeliefertseins? Die Neugier darauf, ob es mich erregen oder abstoßen würde? Oder einfach der Gedanke, dass wir so jung nicht mehr zusammenkommen, und was ist schon dabei, muss man mal gemacht haben?
Jetzt stehe ich hier am Rand des Auktionsraumes und bin als Nächste dran. Noch genug Zeit, alles zu beobachten, damit ich mich nachher nicht wie die totale Anfängerin anstelle, die ich ja eigentlich bin. Ganz im Gegensatz zur Frau vor mir. Deren Dom hat genaue Anweisung gegeben, wie sie den potentiellen Käufern präsentiert werden soll. Der Auktionator gibt die Informationen ihres Steckbriefs ans Publikum weiter, als wäre es sein tägliches Geschäft. Wir erfahren alles über ihre spermageilen Löcher und die Erlaubnis ihres Doms, das Fickstück auch mal härter anzufassen. Er preist ihre festen kleinen Titten und lässt sie sich tief bücken, mit dem Rücken zum Publikum.
Die Zuschauer reagieren erstaunlich zurückhaltend und ruhig. Kein Gejohle, keine anzüglichen Kommentare. Stattdessen wertschätzendes Kenner-Nicken und vorsichtige Annäherungsversuche, als der Auktionator das Auktionssubjekt an der ersten Reihe vorbeiführt - anfassen ausdrücklich erwünscht. Als das Steigern beginnt, sparen die Männer nicht mit ihren Spieldollar, die sie mit dem Eintritt erhalten haben. Und die Gebote steigen sofort hoch ein. Die Sklavin steht während dieser ganzen Prozedur scheinbar unbeeindruckt neben dem Auktionator - die Hände hinter dem Rücken, den Kopf gesenkt. Aber hinter ihr stehe ich und kann sehen, dass ihre Hände vor Aufregung zittern. Auf ihrer Wirbelsäule haben sich kleine Schweißperlen gebildet, ein Tropfen rinnt langsam über ihr Steißbein.
Nach einem zähen Gefecht geht ein unscheinbar wirkender Mann Mitte 50 als Sieger hervor. Er zahlt ordnungsgemäß die Ware, bevor er sie an der Leine abführt. Ich wüsste zu gerne, was er mit ihr anzustellen beabsichtigt. Wird er überhaupt dazu kommen, allen drei Löchern auf den Grund zu gehen, oder schon vorher vor lauter Erregung...Doch ich komme nicht dazu, mich in Fantasien zu verlieren. Denn schon ruft der Auktionator meinen Namen auf. Ich bin als nächste dran, versteigert zu werden. Ich atme noch einmal tief durch, richte mich auf und trete mit erhobenem Kopf ins Licht. Jetzt stehe ich hier inmitten von hundert Männern, die alle nur auf ihre Gelegenheit warten, mich zu kaufen. Die Frau vor mir war eine richtige Sklavin, mit Dom und Halsband und einer unterwürfigen Haltung. Kein Wunder, dass die Männer sich gegenseitig überboten haben, um für eine Stunde allein mit ihr zu sein.
Ich fühle mich ein wenig über den Dingen stehend, so distanziert wie ich das Geschehen bisher vom Rand aus betrachten konnte. Es fühlt sich surreal an, wie ein Film, nur dass es heiß ist und nach Aftershave riecht und mein Blut pulsiert. Als der Auktionator beginnt, dem Publikum meinen Steckbrief vorzulesen, meine Vorlieben herauszustellen und auf Tabus hinzuweisen (kein Sperma im Gesicht, keine SM-Praktiken), wird mir klar: das hier ist Ernst. Und so stehe ich inmitten der Scheinwerfer, die auf meinen Körper gerichtet sind, und versuche, im Schatten Gesichter auszumachen. Was sind das für Männer, die für einen Abend so tun wollen, als wären Frauen eine Ware? Ich sehe erstaunlich viele sympathische Typen. Manche wirken zurückhaltend, so als können sie selbst noch nicht ganz fassen, welcher Film hier gerade abläuft.
Anderen Gästen wiederum möchte ich im Mondschein nicht begegnen. Dem Kerl mit den stahlkalten Augen in der ersten Reihe zum Beispiel, bestimmt voll der Sadist. Wer weiß, was der mit seinen Sklavinnen anstellt. Oder diesem über 60jährigen Typen mit Glatze und einem Kranz aus schulterlangen, strähnigen Haaren, der sich gerade in die zweite Reihe drängt. Im Gegensatz zu dem meisten anderen Männern, die fast uniform in Hemd und Anzugshose gekleidet sind, trägt er ein schwarzes Netzshirt und Lederleggins. Echt nicht meine Wellenlänge. Aber ich bin ja nicht hier, um eine Wahl zu treffen. Sondern um mich an den Höchstbietenden versteigern zu lassen. Zu meinem Glück bietet der Haarkranzmann nicht mit. Den Zuschlag erhält ein nicht unsympathischer Durchschnittstyp, und ich will gerade erleichtert durchatmen, als er sich umdreht und einem Freund winkt: Es ist der Haarkranzmann. Die beiden haben ihr Spielgeld zusammengeworfen, um sich mich leisten zu können.
Ganz tolle Idee Lotta, diese Sklavenauktion. Musstest wieder alles mitmachen, kann ja nix schiefgehen hast du gedacht. Und jetzt, wie kriege ich bloß den Kopf aus der Schlinge? In Begleitung meiner zwei Käufer und meines Freundes, der sich dezent im Hintergrund hält, laufe ich durch den Club. Weil nicht alle Gäste bei der Sklavenauktion mitgemacht haben, herrscht in sämtlichen Räumen schon lebhafter Betrieb. Voll belegte Spielwiesen wohin man schaut! Während wir so von Raum zu Raum irren, die beiden Männer immer im Schlepptau, finde ich kurz Gelegenheit, meinem Freund zuzuflüstern: „Philipp, ich muss die loswerden! Der eine geht ja, aber der andere,…“ - „So schlimm?“ fragt Philipp, wohlwissend, dass ich im Stress manchmal überreagiere. „Ja, schau doch hin! Schlimm ist kein Ausdruck“ raune ich ihm zu, froh um die laute Musik im Club, die unser konspiratives Gespräch vertuscht.
Als wir einmal durch alle Clubräume geirrt und keinen freien Flecken zum Vollzug meiner Sklavinnenpflichten gefunden haben, fasst sich Philipp ein Herz. „Jungs, es schaut gerade schlecht aus, hier ist viel los heute… vielleicht versuchen wir es später nochmal?“ Den beiden scheint durch die lange Suche durch den Club ebenfalls die Lust vergangen zu sein. Sie stimmen bereitwillig zu und ziehen ab Richtung Bar. Der Stein, der mir vom Herzen fällt, ist noch drei Straßen weiter zu hören. Ein bisschen schlecht fühle ich mich schon nach dieser Aktion. Aber nicht, weil die beiden Käufer ihr Spielgeld umsonst verprasst haben. Sondern weil ich es nicht geschafft habe, klar „Nein“ zu sagen. Denn bei aller Fantasie, einmal eine Sklavin zu sein und sich zur Verfügung zu stellen, bei all der Rollenspielerei habe ich doch auch hier das letzte Wort! Wahrscheinlich hätte ich es geschafft, wenn es wirklich bis zum Äußersten gekommen wäre. Zu unvorstellbar ist der Gedanke, mit dem Haarkranzmann… Aber in jenem Moment bin ich einfach nur froh, dass ich mich auf diese Weise aus der Affäre ziehen konnte.
Wenn jemand anderes meine Dienste ersteigert hätte, ein ganz normaler Durchschnittstyp - wer weiß, wie der Abend ausgegangen wäre? Ist die Fantasie es wert, es noch einmal zu probieren? Oder sollten manche Fantasien doch lieber genau das bleiben?
Lotta Frei (geb. 1979) ist Bloggerin, Buchautorin der Swinger-Bibel und lebt in einer offenen Beziehung. Für Poppen.de berichtet sie in ihrer Kolumne "Lottaleben" über ihre sexuellen Erfahrungen.
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