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verfallen (15/10)


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Der Text ist hei

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Geschrieben

„Darf ich Ihnen noch etwas bringen?“ versuchte sie, das erdrückende Schweigen zu brechen. „Es ist alles gut, danke!“ Monika konnte es sich einfach nicht erklären: Wenn sie sich Mühe gab, ihn um Himmels Willen nicht zu reizen, sah er in all ihrem Verhalten Gründe für dauernde Schläge und Demütigungen. Es schien ihm zu gefallen, Monika nach Lust und Laune zu misshandeln. Und jetzt, wo sie dessen Aufmerksamkeit suchte, wirkte er so kühl. Er gab sich wie ein Professor an einer Universität: Freundlich, aber gleichzeitig auch distanziert. Ihr fehlte plötzlich etwas an ihm. Einen kurzen Moment sehnte Monika sich nach der gewaltbereiten Seite von Dr. Engel. Bei dem Gedanken daran hätte sie sich am liebsten selbst geohrfeigt. Aber einfach zu behaupten, Dr. Engel wäre in den vergangenen Tagen ihr gegenüber nichts als brutal und gewaltbereit, fand sie zu oberflächlich. Immerhin schenkte er ihr dann seine volle Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit war etwas, das Monika außer hin und wieder durch ihre Tochter in den letzten Jahren kaum erfahren durfte. Ohne Frage verursachten die Schläge Schmerzen und erzielten einen erzieherischen Effekt, aber Monika verband mehr damit. Es war tatsächlich eine Art von Aufmerksamkeit und sie fühlte sich zumindest danach sehr sicher und geborgen.

Wortlos nahmen beide weiter das Frühstück ein, bis Monikas Gedanken abrupt unterbrochen wurden: Die Tür zum Dinnerraum wurde wuchtig aufgestoßen. Was sie dann sah, ließ ihr den Atem stocken: Markus! Er war hier – das konnte unmöglich wahr sein! Aber als Dr. Engel „Guten Morgen, Markus!“ sagte, bestand kein Zweifel mehr. Er stand auf. „Keine Bewegung, Arschloch!“ stoppte ihn Markus verbal. Er hielt eine Pistole auf Dr. Engel gerichtet. „Mama, ich hol’ dich hier raus. Wir gehen jetzt nach Hause!“ Monika wurde von der Situation so überrumpelt, dass sie einfach nur wie versteinert dasaß. Sie war nicht im Stande, auch nur ein einziges Wort von sich zu geben. Stattdessen erwiderte Dr. Engel: „Das glaub’ ich nicht, Markus. Dafür musst du mich nämlich erschießen. Kannst du das denn?“ Die Pistole in Markus’ Hand zitterte, aber seine Stimme war fest und entschlossen. „Du Schwein hast meine Mutter entführt, dafür wirst du büßen!“ „Monika“, suchte Dr. Engel ihre Aufmerksamkeit, „dein Sohn führt sich hier auf, als ob er irgendetwas im Griff hätte. Sag ihm bitte, dass er überhaupt nichts im Griff hat! Erzähl ihm von Jacqueline und sag ihm, dass er sie mit seiner Mickey-Maus-Scheiße noch umbringen wird. Du weißt, dass er sich besser nicht mit mir anlegen sollte. Du weißt es, Monika!“. Markus ließ sich davon nicht beirren: „Mama, komm her zu mir! Wir gehen nach Hause!“ Aber Markus’ Stimme klang nicht mehr so selbstsicher wie noch wenige Augenblicke zuvor. Wie eine Marionette stand Monika auf. Weiter passierte nichts. Markus rief sie noch zweimal, aber sie bewegte sich nicht. Der Mistkerl, der ihre Mutter hier gefangen hielt, hatte Recht. Markus hatte gar nichts im Griff. Und dieses Schwein ließ sich durch ihn und die Pistole nicht im Geringsten einschüchtern. Was war das für ein Monster? Was hatte er vor? Hatte er ihn etwa schon erwartet?

Dr. Engel sah Markus dessen Zweifel und die mangelnde Selbstsicherheit deutlich an. Er nutzte die Chance und fasste Monika an deren rechtes Handgelenk. Im Affekt brüllte Markus: „Stirb, du Schwein!“ Er kniff die Augen zu und drückte ab. Ein erschreckend lauter Knall donnerte durch den Raum. Danach öffnete Markus wieder die Augen. Da war Blut. Überall! Kreidebleich ließ er die Pistole auf den Boden fallen, als er erkannte, dass die Kugel nicht den Entführer, sondern seine Mutter getroffen hatte.

***

Markus Emotionen beherrschten ihn. Tränen der Wut und Verzweiflung standen ihm in den Augen. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Als er die Pistole auf dem Boden wahrnahm, hob er sie auf und richtete sie wieder gegen Dr. Engel. „Markus, ich kann deine Mutter retten. Aber dafür musst du mir helfen und wir müssen uns beeilen!“ „Du hast meine Mutter umgebracht, du Schwein!“ „Markus, deine Mutter lebt. Aber sie wird sterben, wenn wir ihr nicht augenblicklich helfen. Leg die Waffe weg und hilf mir!“ Genau wie eben stand Markus mit der Waffe in der Hand vor dem Mistkerl und hatte trotzdem das Gefühl, die Situation kein bisschen unter Kontrolle zu haben. Dr. Engel ließ sich von der Waffe nicht beindrucken und ging ganz ruhig aus dem Raum. Markus wollte ihm gerade folgen, als Dr. Engel ein Krankenbett heranschob. Es war das aus Monikas Zimmer.

Die Panik um den Zustand seiner Mutter zwang Markus in dem Moment, als er das Bett sah, doch dazu, die Waffe wegzustecken. Gemeinsam mit Dr. Engel hob er sie auf das Krankenbett. Danach fuhren beide in Operationsraum, der technisch dem aller neusten Standard entsprach. Dr. Engel hatte ihn sich vor einigen Jahren eingerichtet. Er benötigte ihn nicht oft, aber in den wenigen Situationen, in denen er sich doch als notwendig erwies, hing nicht selten ein Menschenleben am seidenen Faden. In seiner 18-jährigen Erfahrung als Mediziner hat er den Kampf um Leben und Tod erst einmal verloren. Weil man als Unfallchirurg in der Regel schnell reagieren musste und es dabei nicht selten um Menschenleben ging, war dieser Berufszweig für viele Mediziner die Königsdisziplin. Das war nichts für jeden gewöhnlichen Arzt. Sein Alter stand ihm dabei nie im Weg, im Gegenteil: Schnell machte er sich auch bei den erfahrenen Kollegen durch sein beispiellos besonnenes Handeln einen Namen.

Der Schuss von Markus traf Monika in den Bauch. Sie hatte schon eine Menge Blut verloren. Außerdem bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, die Milz etwas abbekommen hatte. Die Zeit spielte eindeutig gegen Dr. Engel. Außerdem war es immer wieder eine Herausforderung, eine Operation in der Größenordnung ohne jegliche Assistenz durchzuführen. Das brachte selbst ihn an seine Grenzen. Er drehte sich zu Markus um, und sah ihm ganz ruhig ins Gesicht. Schon wieder hielt er die Waffe auf sein Gesicht gerichtet. Dabei zitterte ihm die Hand, als hätte er eine fortgeschrittene Form von Parkinson. „Eine falsche Bewegung, und ich knall‘ dich ab!“ hatte er Dr. Engel gedroht, als dieser Monika für die OP vorbereitete. Für ihn war sofort klar, dass es nur ein panischer Versuch von Markus war, die Situation zu kontrollieren. Aber sollte er ruhig machen, Dr. Engel hatte erst einmal andere Probleme.

„Markus“ sagte er nun. Der streckte den Arm mit der Pistole noch mehr aus, als ob er das feindliche Ziel neu anvisierte. „Deine Mutter stirbt! Du bist schuld daran.“ Die Panik stand Markus ins Gesicht geschrieben. „Halts Maul. Du bist schuld daran, du Wichser!“ „Hör mir genau zu. Wenn sie nicht augenblicklich eine Bluttransfusion bekommt, wird sie es nicht schaffen. Ich weiß, dass ihr beiden die gleiche Blutgruppe habt. Sie braucht dein Blut, und zwar sofort. Wenn du nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten deine Heldennummer ablegst und dich für eine Transfusion zur Verfügung stellst, stirbt sie. So einfach ist das. Nun liegt es nur bei dir, mein Junge!“

Markus war sich nicht sicher, ob das nur ein verdammter Bluff von dem Scheißkerl war. Sie sah furchtbar aus. Aber was, wenn sie schon gar nicht mehr zu retten war und er nur die Flucht ergreifen wollte? Was, wenn er ihn auch noch umbringen würde? Hier in dieser gottverlassenen Kaserne würden seine Mutter und er niemals gefunden. Tränen schossen ihm wieder in die Augen, seine Atmung setzte beinahe aus. Er begann am ganzen Körper zu zittern. Schließlich kollabierte sein Kreislauf und er fiel bewusstlos zu Boden.

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