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verfallen (8/10)


Empfohlener Beitrag

Der Text ist hei

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Geschrieben

Dass Monika schon seit einer gefühlten Ewigkeit kein Tageslicht mehr sah, machte sie verrückt. Immer wenn sie erwachte, konnte sie nicht einordnen, ob es draußen gerade hell oder dunkel war, ob die Sonne schien oder ob es regnete. Einzig allein der alte Wecker neben ihrem Bett, der ihr zuverlässig und geduldig die Uhrzeit anzeigte, ließ sie zumindest Vermutungen über die Tageszeit anstellen. Zehn nach acht verkündeten die Zeiger dieses Mal. Sollte es gerade frühmorgens sein, dann wäre es schon sehr spät. Sicher würde Dr. Engel in jedem Moment hereinkommen und eines seiner Spielchen mit ihr spielen. „Die Haare!“ schoss es ihr durch den Kopf – die hatte sie noch gar nicht weggekehrt. Wenn sie noch herumliegen würden, wenn Dr. Engel hereinkäme, wären ihr die nächsten Schläge sicher!“ Sie fuhr herum und sah auf den Boden. Aber da war bereits alles hygienisch sauber. Hat ER etwa sauber gemacht? Was sollte das – bisher hat er noch nie in ihrem Zimmer geputzt?!

Als sollte sie diese Gedanken nicht weiter spinnen, ging plötzlich Tür auf und Dr. Engel trat ein. Er sah ungewohnt locker aus. Wieder überraschte er sie mit einem reichhaltigen Frühstück. Danach hatte er ein Paket für sie. Es war in Geschenkpapier eingeschlagen. Skeptisch, nahm Monika es entgegen. Sie wusste noch nicht, ob sie sich drüber freuen sollte. Als sie es jedoch auspackte, erkannte sie mehrere Kleidungsstücke. Es handelte sich offensichtlich um ein komplettes Outfit. „Freust du dich?“ Bevor sie antworten konnte, legte er nach: „Na los, zieh an!“

Dafür stand sie wieder komplett nackt vor ihm, aber das war mittlerweile gar nicht mehr so schlimm. Zwar wusste sie wieder einmal nicht, was sie erwarten würde, trotzdem nahm sie die einzelnen Teile aus dem Paket. Elegant schlüpfte sie in die Hotpants und zog den BH an. Wow, es passte prima. Sie fühlte sich echt wohl darin. Und auch Dr. Engel war seine Zufriedenheit anzusehen. Anschließend streifte Monika die schwarze Feinstrumpfhose über und schließlich das ozeanblaue Kostüm. Blieben bloß noch die passenden Stiefeletten. Okay, sie drückten etwas, aber als sie fertig war, erkannte Dr. Engel in ihrem Gesicht ein kurzes Lächeln. Offensichtlich, so dachte er, gefiel sie sich in dem Outfit recht gut.

„Deine Aufgabe für heute“ begann er so selbstverständlich, als ob er schon sein ganzes Leben lang derartige Aufgaben verteilte, „besteht darin, dass du in dem Outfit mit dem Zug nach Neustrelitz fährst.“ Monika wollte ihren Ohren nicht trauen. Sie sollte mit dem Zug nach Neustrelitz fahren – Allein! Aber Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht. Dr. Engel fuhr direkt fort: „In Neustrelitz, in der Karbe-Wagner-Straße 51, vorm Getränkehandel Heidebrecht triffst du auf einen Mann namens Eberhard Dachner.“ Während Dr. Engel Monika den Rest der Aufgabe erklärte, hörte sie ganz gespannt zu. Sie durfte sich keine Notizen machen und sie wusste, er würde total ausrasten, wenn sie ihn enttäuschte. Hoffentlich hatte sie alles richtig verstanden. Ehe er sie gehen ließ, übergab er ihr einen Briefumschlag und sagte emotionslos: „Zum nächsten Bahnhof sind es sechs Kilometer. Dein Zug geht in…“ – er sah auf seine Uhr und rechnete – „…57 Minuten. Ich erwarte dich spätestens 19:00 Uhr zurück!“

***

„Frank, draußen wartet ein junger Mann. Er sagt sein Name sei Neuhaus. Er wollte dich dringend wegen dem Unfall neulich auf der Meckenheimer sprechen.“ „Ok, ich komme sofort!“ erwiderte Oberkley seinem Kollegen.

Wenig später saßen Frank Oberkley und Markus Neuhaus in einem Vernehmungsraum der Dienststelle. „Über was wollten Sie denn mit mir sprechen?“ begann er gewohnt höflich das Gespräch. „Sie haben neulich mit meiner Schwester, Diana Herget gesprochen wegen dem Unfall am 07. November. Unsere Mutter, Monika Neuhaus, wurde dabei verletzt.“ „Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Haben Sie etwas zu Ihrer Mutter herausgefunden?“ „Der Entlassungsbrief, den Sie meiner Schwester gegeben haben, ist eine Fälschung. Irgendwas stimmt da nicht!“ „Moment“, unterbrach ihn Oberkley, „was meinen Sie damit?“ Hier, sehen Sie sich die Unterschrift an. Die ist total pixelig!“ Oberkley nahm das bekannte Dokument und blickte auf die Unterschrift. Okay, bei genauer Betrachtung wirkte die Unterschrift tatsächlich nicht, als wäre sie mit einem Stift geschrieben worden. „Mir kam das gleich komisch vor, deshalb habe ich in dem Krankenhaus angerufen. Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber ich fragte nach, ob dort die Entlassungsbriefe mittels elektronischer Unterschrift per Touch-Pen signiert werden. Sie wissen schon, wie beim Paketdienst! Die im Krankenhaus wussten jedenfalls gar nicht, wovon ich rede! Die Unterschrift wurde also einfach digital in das Dokument eingefügt!“

„Was wollen Sie damit sagen?“ „Die Unterschrift des Arztes sieht doch aus wie „Engel“ oder „Eugel“. Im ganzen Krankenhaus arbeitet aber keiner mit einem dieser Namen. Ist das nicht merkwürdig?“ Die Frage war rhetorisch gemeint, denn er fuhr gleich fort: „Ich habe beide Namen gegoogelt. Natürlich gibt es deutschlandweit wahnsinnig viele Einträge. Aber ich fand heraus, dass es mal einen Dr. Rainer Engel in Köln gegeben hat, der wegen eines dubiosen Todesfalls entlassen wurde. Wenig später hat jemand – auch ein Dr. Rainer Engel – eine Kaserne irgendwo in Brandenburg gekauft. Ob die eine Person mit der anderen übereinstimmt, weiß ich nicht. Aber irgendwas stimmt hier ganz gewaltig nicht. Und ich möchte von Ihnen, dass Sie der Sache nachgehen!“ Als er das sagte, machte Markus sich bewusst, dass er sich seit langer Zeit mal wieder richtig ernste Gedanken um seine Mutter machte. Bei dem Beamten, den Diana als so bewundernswert umschrieb, hatte Markus allerdings kein besonders gutes Gefühl. Der hörte ihm zwar aufmerksam zu und machte sich auch Notizen, aber Markus hatte trotzdem den Eindruck, dass es wohl ewig dauern würde, bis etwas passierte, falls die Polizei seinen Verdacht überhaupt ernst nehmen würde. Typisch Deutschland mit seiner Bürokratie! Er musste selbst die Initiative ergreifen, sonst könnte es vielleicht für seine Mutter zu spät sein.

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