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Von Sinnen – Sehen


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Geschrieben

Sehen
Was zählt, ist der Augenblick. Der Moment, wo das Auge blickt und sieht. Wo die Informationen von dem Auge an das Gehirn weitergeleitet werden und im Kopf ein Bild entsteht. Ein Bild, das manchmal für Ewigkeiten gespeichert wird. 

Als ich studierte, hatte ich einen Nebenjob an der Garderobe der Oper. Ich mochte diese Arbeit. Wirklich etwas zu tun, gab es nur vor und nach der Vorstellung. Ich hatte nette Kollegen und ich konnte die ganze Zeit eine glamouröse Atmosphäre zwischen hoher Kunst und aufgekratzter Eleganz genießen. 

Auch wenn der Dienst meist routiniert vonstatten ging, freute ich mich jedes Mal auf die Arbeit. Auch an jenem Abend: Auf dem Programm stand irgendetwas von Mozart. Ausverkauft. Nicht zu kurz. Nicht zu lang. Genauso, wie ich es mochte. So kannte ich die erwartungsvolle Stimmung der Gäste ebenfalls genießen. 

An der Garderobe gab es entsprechend viel zu tun. Am Anfang war es noch leer. Aber mit der Zeit kamen immer mehr Besucher, um ihre Jacken, Mäntel und Taschen abzugeben. Aber gerade, wenn die Schlange besonders lang war, war ich in meinem Modus. Entspannt habe ich Gast für Gast bedient, ohne mich unter Druck setzen zu lassen. So hatte ich die Möglichkeit, mich ganz auf den Moment zu konzentrieren. So hatte ich die Möglichkeit, die eine Frau wahrzunehmen, die glich zu mir kommen würde. 

Sie schien alleine zu sein. Sie war mein Typ. Dunkle Haare. Eine schlanke Figur, die sich unter dem Mantel abzeichnete und ein Gesicht, dass Intelligenz und Lebendigkeit ausstrahlte. Als sie an der Reihe war, blickte ich in ihre Augen. Sie lächelte mich an, öffnete den Mantel, zog ihn aus und reichte ihn mir. Nun konnte ich sehen, wie ihr Köper wirklich aussah. In ihrem schwarzen Kleid kamen ihre Taille, ihre Brüste und ihr Po gut zur Geltung. Sie wusste genau, dass sie einen umwerfenden Körper hat. Und das hat sie gezeigt – das aber dezent und mit Stil. 

So war auch ihr Dekolletee. Man konnte viel sehen, ohne dass es vulgär wirkte. Für mich war der Anblick hypnotisch. Ich habe hingesehen. Und ich habe eine Sekunde zu lange hingesehen. Ich wusste ganz genau, dass sie mich dabei ertappt hat. Aber sie ließ sich nicht anmerken. Mit einem Lächeln nahm sie die Garderobenmarke entgegen und ging. Auf dem Weg zu ihrem Platz drehte sie sich noch einmal um und lächelte mich an. 

Mir war die Situation ein wenig peinlich. Aber auf der anderen Seite habe ich mich über das Lächeln so gefreut, dass ich die Pause gar nicht erwarten konnte. Noch etwa einer Stunde war es soweit. Der erste Teil der Vorstellung war beendet. Das Publikum strömte aus den Türen, um einen Sekt oder einen Wein zu trinken. Auch die Frau kam heraus, um zunächst ein Getränk zu bestellen. 

Später setzte sie sich auf einen Stuhl in einer Ecke, die etwas abseits des Trubels war. Eine Ecke, die versteckt war, die ich aber von der Garderobe aus gut sehen konnte. Das wusste sie. Da bin ich mir bis heute sicher. 

Auf ihrem Platz lehnte sie sich zurück, nippte an ihrem Glas Weißwein und schloss die Augen. Sie schien sich, einen Augenblick entspannen zu wollen. Einmal kurz abtauchen, um dann die ganze Oper noch besser genießen zu können. Als sie die Augen wieder öffnete, bewegte sie sich auf ihrem Stuhl ein wenig hin und her, so dass das Kleid etwas hochrutsche. So konnte ich sehen, dass sie halterlose Strümpfe trug. Am Anfang dachte ich, dass es ihr nicht aufgefallen sei. Aber diese Meinung habe ich schnell geändert. Denn Sie drehte sich zu mir. So konnte ich noch mehr von ihren makellosen Beinen sehen. Lang und schlank und mit einem Streifen Haut, den man zwischen dem Strumpf und dem Saum des Kleides klar erkennen konnte. Sie schien nicht zu merken, dass ich sie so gut sehen konnte. Aber ich wusste, dass es nicht so war. So wie sie sich zeigte, wollte sie, dass ich sie ansehe.

Ich konnte mich kaum noch konzentrieren. Ich war erregt. Vor allem, weil ich wusste, dass dieses Bild exklusiv für mich war. Das war meine geheime Oper. Sie war die Darstellerin und ich war der einzige Zuschauer. Leider dauerte diese Vorstellung nicht sehr lange. Nach einigen Minuten klingelte es zum zweiten Teil. Daraufhin stand die Frau auf, richtete ihr Kleid zurecht und verschwand wieder zu ihrem Sitz.

Als die Oper zu Ende war, hatte ich viel zu tun. Jetzt kamen alle Gäste auf einmal, um sich ihre Jacken, Mäntel und Taschen abzuholen. Hier musste ich schnell sein. Hier spürte ich ein wenig Druck. Doch mit einem Mal stand die Frau wieder vor mir. Das war der Moment, für den ich mir ein wenig Zeit nehmen wollte. Sie hielt mir die Garderobenmarke in ihrer flachen Hand entgegen. So hatte ich die Möglichkeit, die Frau einmal zu berühren. Ich nahm die Marke so entgegen, dass ich mit meiner Hand über ihre Hand streichen konnte. Dabei blickte ich ihr in die Augen und lächelte. Dann nahm ich ihren Mantel und reichte ihn ihr. Sie bedankte sich und ging. Als sie schon fast in der Menschenmenge verschwunden war, drehte sie sich noch einmal um und lächelte.

Auch wenn dieser Abend lange her ist, erinnere ich mich noch an jedes Bild. Ich erinnere mich an ihr Dekolletee, ihre Beine, ihr Lächeln, ihre Silhouette. Einfach an alles. Und diese Bilder sind die Höhepunkte in meiner imaginären Galerie. Einer Galerie, die ich regelmäßig besuche und genieße.

 

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