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A la carte...


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Geschrieben

Es ist einer dieser Tage, an denen man am besten im Bett bleiben sollte. Kalt und regnerisch, wie ich schon von meinem Bett aus sehen kann! Aber wie üblich hat der Wecker am späten Nachmittag etwas dagegen gehabt und ertönt mit der ihm eigenen Präzision so lange, bis man...
Doch was erzähle ich da, jeder von uns kennt ja den Kampf mit diesem bösen Ding!

Die letzte Nachtschicht dauerte zwar nicht so lange wie üblich, aber heute ist Samstag. Das bedeutet Stress, viel Arbeit und einen sehr, sehr langen Abend.
Ich bin stolz auf meinen Job. Es ist kein Traumberuf, aber ich hätte es auch deutlich schlechter treffen können. Abwechslungsreich ist er allemal, und man hat viel Kontakt zu Menschen. Also stehe ich auf, erledige so meine Verrichtungen, ziehe meine Kellneruniform, einen schwarzen Anzug mit dunkler Krawatte, an und mache mich auf den Weg in die Arbeit.
Bei uns im Restaurant verkehrt die ganze Prominenz, alles, was Rang und Namen hat. Da muss man auch als Kellner Stil haben. Das wird erwartet! Gerade eben hat unser Restaurant den dritten Stern bekommen. Auch wenn wir Kellner mitbeteiligt waren, so denkt der Chefkoch, dass es alles nur seinetwegen sei. Seither führt er sich auf wie eine Diva. Nichts passt ihm oder ist ihm perfekt genug. So ein Idiot!

Die Vorbereitungen für den Abend sind schon abgeschlossen, als ich ankomme. Sehr gut, damit erspare ich mir jetzt erstmal ein wenig Arbeit und kann einen Kaffee genießen, bevor es losgeht.

Oh, so früh noch, und die ersten Gäste trudeln bereits ein? Egal, erst mal ist mein Kaffee dran. "Ja Chef, ich komme schon!", sage ich schließlich. Meine Müdigkeit und den internen Frust wegen des Chefkochs darf ich mir nicht anmerken lassen. Lächeln ist angesagt. Das wird erwartet, und unser Chef ist ganz schön schlecht gelaunt, wenn sein Personal nicht freundlich ist. Jeder Job hat so seine Schattenseiten, aber damit kann ich leben. Mundwinkel einfach nach oben ziehen, und schon geht es los.

Zwei elegant gekleidete Paare, keine der Personen älter als 30 Jahre, eröffnen für mich diesen Abend. Ich habe nicht viele Gäste zu betreuen, aber die paar Tische haben es immer in sich. Wieso müssen sich die oberen Zehntausend immer wie Schweine den Kellnern gegenüber aufführen? In einer Bahnhofskneipe herrscht da mehr Respekt. Dort ist der mit dem Zapfhahn der König.
Die freundliche Begrüßung haben sie mir sicherlich geglaubt. Ich bin ja Profi bei so etwas.
Oh nein, wieso müssen Frauen immer einen Pelzmantel anhaben? Mädels, Ihr werdet bis vor die Restauranttür von Eurem Chauffeur gebracht, um dann für exakt fünf Meter (ich habe das einmal in einer Pause nachgemessen) diesen Mantel tragen und zeigen zu dürfen?
Doch alles klar: Sehen und gesehen werden, heißt die Devise. Aber dies hier ist kein Laufsteg, sondern ein Restaurant, zugegebenermaßen eines für die Upper Class, aber dennoch ein Restaurant!
Ich zeige ihnen, wie ich es gelernt habe, einen passenden Tisch, aber so ganz glücklich sind die nicht.
Jungs, wenn Ihr einen Tisch am Fenster wollt, müsst ihr schon ein paar Scheine extra rausrücken, denke ich. Das kann man so natürlich nicht aussprechen, aber ich glaube, für das nächste Mal haben sie es verstanden. Vielleicht haben sie auch nicht genug Bargeld mit. Solche Leute haben ja oft nur Kreditkarten mit. Gold, Platin, Schwarz, das alles habe ich schon an Farbspielchen bei den Kreditkarten solcher Leute gesehen, aber keiner denkt mal daran einen Fünf-Euro-Schein dem Kellner in die Hand zu drücken. Allerdings darf ich das mit keinster Geste andeuten. So etwas gehört sich in einem Drei-Sterne-Restaurant nicht!
Teuer kann es bei den sehr schlanken Models, die sie diesmal hierher bringen, ja nicht werden. Die Jungs wollen Eindruck schinden und wie üblich auf vornehm und reich machen. Die Mädels zieren sich irgendwie. Es scheint mir gerade so, als suchten sie auf der Speisekarte die Rubrik "für Models". Vor ihrem inneren Auge sehen sie sicherlich gerade das Gericht: "Halbes Salatblatt ohne Toast" mit der Beschreibung dazu: "Tranche eines Kopfsalatblattes in einer Vinaigrette aus destilliertem Wasser. Dazu reichen wir selbstgemachtes Nichts". Und das für gerade mal acht Euro. Mädels, die Jungs zahlen doch alles, da darf es doch auch schon mal Hummer sein!
Ach ja, vielleicht haben die Süßen aber auch keine Ahnung, was das auf der Speisekarte Geschriebene bedeutet?
Da werde ich ihnen erstmal die Empfehlung des Tages für 54 Euro nennen, damit den Jungs die Kinnlade herunterklappt.
Plötzlich ist mein Lächeln nicht mehr so gekünstelt, sondern echt. Am Trinkgeld wird das wohl nichts ändern, aber ich habe meinen Spaß dabei.
Anders überstehe ich auch nicht die Zeit bis zum Feierabend. Vielleicht zwischendurch ein oder zwei Gläschen Wein! Das merkt keiner und tut doch so gut.

Und schon wieder die nächsten Gäste! Diesmal ein älteres Paar! Wieso schon wieder so ein Pelzmantel? Das verstehe ich nicht! Es sind Stammgäste, und die Frau zwinkert mir wie jedes Mal zu. Ich denke, die findet mich richtig süß. Da spiele ich das Spiel gerne mit. Auch wenn es mir scheinbar unangenehm ist, wenn sie mir beim Verlassen des Lokals immer 50 Euro zusteckt. Aber das macht sie glücklich, und ich habe ja schließlich auch was davon. Und ihrem Mann macht es wohl auch nichts aus, wenn wir ein wenig flirten. Unsere Gäste sollen sich hier ja wohl fühlen.

Für einen 10Euro-Schein lasse ich sie am Fenster Platz nehmen. Die Blicke der Viererbande vom Nebentisch sprechen Bände! Tja Jungs, vielleicht findet ihr irgendwann mal raus, wie man so einen tollen Tisch bekommt!

Zum Abend hin kommen immer mehr von diesen Gästen, und der Abend beginnt jetzt so richtig Fahrt aufzunehmen. Meine Vermutung, dass auch heute wieder ein stressiger Tag ist, scheint sich wie jeden Samstag zu bewahrheiten.

Doch irgendwie wird dieser Abend auch vorüber gehen, und ich freue mich schon jetzt auf meine Sub. Ich hoffe, sie hat zuhause ein feines Mahl zubereitet. Nicht so Zeug, das wir hier servieren, sondern etwas Bodenständiges. Und ich bestehe auch darauf, dass sie den Tisch entsprechend eindeckt. Und wehe, wenn nicht! In dem Punkt bin sehr genau und streng.

Geschrieben

Mit bissigem Humor sehr bildhaft geschildert. Dann kann ja der Feierabend und die angedeutete Erwartung kommen...;)

Geschrieben

Find es echt treffend geschrieben, durfte auch schon mal in diese berufssparte hinein schnuppern jedoch war es nicht so gehoben, womit du ja auch vollkommen recht hast um so reicher sie sich benehmen um so kleiner wird das Trinkgeld, denn auch meine Erfahrung hat mir gezeigt das jene die es nicht so dick haben oft mehr geben als die " ach wer bin ich" Gäste! 👍👍👍

Geschrieben

gut geschrieben - endlich mal was ohne dauerndes gerammel, wenngleich die Location soetwas hergäbe

und doch - irgendwie für mich eine gewisse Klischeebestätigung:

Serviler Job - Dominanter Part zu Hause

das ist der einzige Part, mit dem ich nichts anfangen kann und möchte, aber nochmal:

der Rest - bzw. alles davor:

SEHR leserlich!!

 

Danke!

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